Lesen Sie gerne? Schreiben Sie auch gerne? Ich schon! Zugegeben, der literarische Abstand zu Goethe, Schiller, Kafka und Rilke ist wahrscheinlich in etwa so weit wie der zwischen Sonne und Erde, aber dennoch würde ich von mir sagen, dass ich mit der deutschen Sprache einigermaßen hantieren kann.

Keine Sorge, ich möchte Sie nicht mit meinen essayistischen Ergüssen langweilen. Vielmehr geht es mir um die Frage, wer noch so alles die deutsche Sprache versteht, anwenden und analysieren kann – künstlich versteht sich – natürlich.

Dass Maschinen die Sprache der Menschen zu verstehen versuchen, ist ein alter Hut. Ansätze dazu gab es schon, bevor es überhaupt leistungsfähige Computer zur sprachlichen Analyse gab. So wurde im Jahr 1999 etwa das Stuttgart-Tübingen-Tagset (STTS) entwickelt, wenn man so will, eine Eingruppierung linguistisch-morphologischer Merkmale in gewisse Klassen. Damals gab es noch keine wirklich leistungsfähigen Systeme. Das hat sich schwer geändert.

Mittlerweile regiert die künstliche Intelligenz und klassiert nach dem obigen Schema Worte ein, schreibt Texte und natürlich verstehen die Systeme, was wir sagen und übersetzen dies sogar in andere Sprachen. Ganz vorne sind mal wieder google und facebook und die anderen “üblichen” Verdächtigen dabei – wie zu erwarten war.

Wer die Sprache der Menschen maschinell versteht, wird das Land regieren

Schon Gustave le Bon, der berühmte französische Psychologe und Mediziner wusste in seinem berühmten Buch „Die Psychologie der Massen“ zu berichten, dass es vornehmlich auf die Worte ankommt, nicht wirklich aber auf die Taten:

„Die Redner müssen, da die Massen nur durch übermäßige Empfindungen stark erregt werden, starke Ausdrücke gebrauchen”

Davon machen auch heute noch zahlreiche Politiker, Populisten aber auch Firmen und andere Organisationen regen Gebrauch. Die Möglichkeiten sind aber subtiler geworden. Und ist es eigentlich überhaupt so wichtig, die Menschen mit (vielen) Worten zu erreichen?

Weiß man nämlich als “Organisation”, was in den Köpfen der Menschen vor sicht geht, wie ihre Stimmung ist und was sie in der Masse denken, so kann man mittels zahlreicher Interventionen sehr gezielt (und eben nicht mehr laut) auf sie einwirken – das Internet bietet dazu alle Möglichkeiten.

Es bleibt aber das zentrale Problem: Woher weiß ich, was die Masse der Menschen wirklich denkt? Meinungsumfragen? Stichproben? Sie sind nicht wirklich hilfreich, zu manipulativ können die Fragen sein und viele offenbaren sich ohnehin nicht wirklich einem Interviewer. Außerdem sind sie in der Stichprobe viel zu klein und zu teuer.

Also müsste man die Konversation (fast) aller Menschen analysieren. Schon Goethe liebte es mehr, Briefe zu lesen als Bücher – vor allem all jene, die gar nicht an ihn gerichtet waren. Der Blick in den Kopf der Mitmenschen war damals nur vereinzelt möglich – heute könnten wir, wenn wir alle E-Mails, Chatprotokolle und Kurznachrichten auswerten würden, einen nahezu vollumfänglichen Blick auf das erhalten, was die Gesellschaft bewegt, was die Menschen im Herzen wirklich mit sich tragen.

Und genau darin liegt das zentrale Problem: Kann eine “Maschine” verstehen, was Menschen sagen? Kann sie die Zeilen eingruppieren, etwa in Hass, Angst, Wut, Sorge, Wünsche, Sehnsüchte? Wenn das ginge, dann wären wir genau in der totalen Überwachung – die Folgen wären dramatisch.

Wir stehen vor der Frage, wer die Sprache maschinell verarbeiten können darf

Sie mögen einwenden, dass ein solches Szenario aus vielerlei Gründen gar nicht möglich ist und ich – ja ich werde Ihnen wiedersprechen! Wir sind längst an dem Punkt angelangt, an welchem es nur noch wenige Schritte, vielleicht wenige Jahre sind, bis da Sprachverständnis durch künstliche Intelligenz einer Organsation genau diese Macht geben wird – und machen Sie sich keine Illusionen: Niemand, kein Datenschutz, keine Gesetze, keine Regeln wird eine solche Organisation aufhalten können.

Im besten Fall handelt es sich um eine altruistische Organisation, eine die nichts böses im Schilde mit dieser starken Waffe führt. Aber darauf sollten wir uns nicht verlassen.

Vielmehr sollten wir jetzt und heute die Frage stellen, wie wir darauf reagieren. Wir lassen es nicht zu, dass jeder Geld drucken kann. Das darf nur die Zentralbank. Waffen herstellen und in Umlauf bringen darf man glücklicherweise auch nicht. Warum lassen wir dann zu, dass eine Technologie, die um ein Vielfaches gefährlicher ist als alle konventionellen Waffensysteme einfach so entwickelt und verwendet werden kann?

Wo bleibt die gesellschaftliche Diskussion zur maschinellen Sprachverarbeitung?

Lassen Sie mich einen Ausblick wagen: Es wird ein Gegengewicht notwendig werden. Eine Institution, die möglichst demokratisch legitimiert in der Lage sein wird, der künstlichen Sprachverarbeitung einen Riegel vorzuschieben – zumindest dort, wo es für die Gesellschaft als Ganzes gefährlich werden wird. Die Diskussion um dieses Gegengewicht muss allerdings jetzt und heute beginnen – und nicht erst, wenn es zu spät ist. Viel Zeit wird uns nicht mehr bleiben…

Künstliche Intelligenz

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